Am Altstädter Rathaus tickt seit über 600 Jahren ein Meisterwerk mittelalterlicher Technik und Astronomie. Die Prager Astronomische Uhr, auch Orloj genannt, fasziniert nicht nur mit ihrer komplexen Mechanik, sondern auch mit einer reichen Geschichte voller Mythen und Legenden.
Ein technisches Wunder seiner Zeit
Erbaut im Jahr 1410 von Uhrmacher Mikuláš von Kadaň und Mathematiker Jan Šindel, war die Astronomische Uhr ihrer Zeit weit voraus.
Sie zeigt nicht nur die Uhrzeit, sondern auch die Positionen von Sonne, Mond und Sternen sowie den aktuellen Monat und das Sternzeichen.
Das Uhrwerk besteht aus mehreren Teilen:
- Das astronomische Zifferblatt mit dem Zodiak
- Der Kalender mit Medaillons der Monate
- Die beweglichen Figuren, die zu jeder vollen Stunde ihr Schauspiel aufführen
Besonders beeindruckend ist die Genauigkeit der astronomischen Anzeigen, die selbst heutigen Standards standhält.
Legenden und Mysterien
Um die Uhr ranken sich zahlreiche Legenden. Die bekannteste erzählt von Meister Hanuš, der die Uhr angeblich erbaut haben soll. Der Prager Magistrat soll ihm die Augen ausgestochen haben, damit er keine zweite solche Uhr bauen konnte. Aus Rache habe Hanuš das Uhrwerk zerstört, sodass es niemand reparieren konnte.
Obwohl diese Geschichte nachweislich eine Legende ist, zeigt sie, welche Bedeutung und Mystik die Prager der Uhr zuschrieben.
Das stündliche Schauspiel
Zu jeder vollen Stunde von 9 bis 23 Uhr versammeln sich Scharen von Besuchern vor der Uhr, um das berühmte "Apostelspiel" zu beobachten:
Der Tod läutet die Glocke, die 12 Apostel ziehen an einem Fenster vorbei, der Geizhals schüttelt seinen Geldbeutel, der Türke schüttelt verneinend den Kopf und die Figur der Eitelkeit betrachtet sich im Spiegel.
Jede dieser Figuren repräsentiert verschiedene menschliche Laster oder Tugenden und erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens.
Restaurierungen und Erneuerungen
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Uhr mehrfach restauriert und erweitert:
- 1490: Hinzufügung des Kalenders
- 1552-1572: Umfassende Reparatur und Erweiterung durch Jan Táborský
- 1787: Vereinfachung des Mechanismus
- 1865-1866: Umfassende Restaurierung und Hinzufügung neuer Figuren
- 1945: Schwere Beschädigung während des Prager Aufstands
- 2018: Letzte große Restaurierung mit modernster Technik
Bei jeder Restaurierung wurde darauf geachtet, den historischen Charakter der Uhr zu bewahren und gleichzeitig ihre Funktionalität zu verbessern.
Die Uhr entschlüsseln
Für den ungeübten Betrachter mag die Uhr zunächst verwirrend erscheinen. Hier einige Tipps zum Verständnis:
- Der äußere Ring des astronomischen Zifferblatts zeigt die alttschechischen Stunden an
- Der innere Ring zeigt die moderne 24-Stunden-Zeit
- Die goldene Sonne zeigt auf dem Zodiak-Ring die Position der Sonne im Tierkreis
- Der Mond-Zeiger gibt die Mondphase an
Besuch und praktische Informationen
- Standort: Altstädter Rathaus, Altstädter Ring
- Beste Besuchszeit: Kurz vor der vollen Stunde für das Apostelspiel
- Tipp: Besuche das Innere des Rathauses für einen Blick hinter die Kulissen der Uhr
- Barrierefreiheit: Das Erdgeschoss des Rathauses ist rollstuhlgerecht, für den Turm gibt es einen Aufzug
Die Uhr in der Moderne
Heute ist die Astronomische Uhr nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch ein Symbol für Prags reiche Geschichte und technische Innovationskraft.
Sie inspiriert weiterhin Künstler und Wissenschaftler: Jährlich finden spezielle Lichtshows an der Fassade statt, moderne Uhrmacher studieren ihren Mechanismus und in der Populärkultur taucht sie in Filmen und Büchern auf.